Normalisierungstendenzen sind Hinweis auf wachsende Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft.
Am 09.01.2024, stellte die lokale Partnerschaft für Demokratie gemeinsam mit dem Aktion Zivilcourage e.V. die in Auftrag gegebene Studie „Rechtsextremismus im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Strukturen, Akteur*innen, Räume und Aktivitäten“ des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) und des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex) der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Öffentlichkeit vor.
Die Studie beruht auf einer umfassenden Literatur- und Internetrecherche, Befragungsergebnissen aus dem Thüringer Monitor und der Topografie des Rechtsextremismus des KomRex sowie sechs qualitativen Expertise-Interviews und Hintergrundgesprächen. Diese fanden im Zeitraum von Mai 2023 bis Juli 2023 mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, Politik und Medien statt. Die Analyse fokussiert auf die Entwicklung rechtsextremer Tendenzen seit 2017, wobei kontextspezifisch auch auf historische Vorläufer eingegangen wird. Ereignisse nach Juli 2023, wie die Auflösung der Neuen Stärke Partei Ende Jahres 2023, konnten daher nicht berücksichtigt werden.
Dr. Axel Salheiser, Leiter des IDZ, hob bei seiner Präsentation die wichtigsten Strukturen und Organisationsformen der heterogenen rechtsextremen Szene hervor. Die Studie unterscheidet zwischen formell organisierten Strukturen wie Parteien und Bewegungen, informellen Strukturen wie Kampfsportbünde oder organisierte Kriminalität und Phänomene der Jugend- und Subkultur wie neonazistische Jugendcliquen. Auch demokratiegefährdende Bewegungen wie die völkisch-esoterische, rassistische und antisemitische Anastasia Sekte mit ihrem Familienlandsitz in der Talmühle in Cursdorf oder die ansteigende Bewegung der Reichsbürger im Landkreis, etwa „Königreich Deutschland“ oder die mutmaßlich rechtsterroristische Gruppe „Patriotische Union“ rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß, wurden analysiert.
Die Studie zeugt von einer zunehmenden Normalisierung und Akzeptanz rechtsextremer Ideologien, Symbole und Strukturen, auch durch die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum in Form von Stickern, Plakaten und Parolen.
Durch die Einbindung von Polizeistatistiken und Statistiken des Staats- und Verfassungsschutzes in die Erstellung der Studie wird deutlich, dass rechtsextreme Delikte und Straftaten im Vergleich zu anderen Thüringer Landkreisen überdurchschnittlich hoch sind. Deshalb behandelt das letzte Kapitel Handlungsempfehlungen für Verantwortungstragende und die Zivilgesellschaft. Von zentraler Bedeutung ist die Schaffung, Stärkung und Absicherung demokratischer Angebotsstrukturen und von aufsuchender Jugendarbeit, um den weitverbreiteten subkulturellen Mainstream-Rechtsextremismus unter Jugendlichen einzudämmen. Eine offensive und kritische Positionierung von Akteur*innen der demokratischen Lokalpolitik gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist notwendig, um weiteren Raumgewinnen entschieden entgegenzutreten.
Die Veröffentlichung der Studie ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit der Schaffung der neuen Stelle der Koordination „Prävention demokratiefeindliche Bestrebungen“ werden Maßnahmen ergriffen, entschieden gegen Demokratie- und Menschenfeindlichkeit im Landkreis vorzugehen.
Möglichkeiten der Koordination zur Prävention demokratiefeindlicher Bestrebungen
– Unterstützung von Verantwortungstragenden im Landkreis bei Bedrohung des demokratischen Gemeinwesens durch Rechtsextremismus sowie sonstige demokratiefeindliche Bestrebungen.
– Vernetzung und fachliche Begleitung von Behörden, Trägern der Jugendhilfe, Sicherheitsbehörden und
Bildungseinrichtungen.
– Unterstützung bei präventiven und demokratiefördernden Maßnahmen in Zusammenarbeit mit
Expert*innen.
– Organisation von Qualifizierungsmaßnahmen für zivilgesellschaftlich Aktive, hauptamtliche Multiplikator*innen und Bildungseinrichtungen.
– Erhöhung der Sichtbarkeit der Betroffenenperspektiven. Verweisberatung und Coaching bei Bedrohungslagen.
– Dokumentation von rechtsextremen Strukturen und Übergriffen im Landkreis.
Kontakt: Aurelia Rohrmann, Koordinatorin zur Prävention demokratiefeindlicher Bestrebungen
Friedensstraße 3, 07318 Saalfeld
Tel.: 0151 – 72270078,
Mail: AS.Rohrmann@diakonie-wl.de
www.diakonie-wl.de
Die gesamte Studie finden sie hier als PDF Download.